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Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin

Schmerztherapie

Eine adäquate Schmerztherapie ist Grundbedingung für eine optimale Patientenversorgung. Wir als  Ärzt:innen- und Pflegeteam der Abteilung Anästhesie, Schmerztherapie, Intensivmedizin und Notfallmedizin des Klinikums Siegen behandeln unsere Patient:innen nach einem interdisziplinär abgestimmten Stufenplan zur postoperativen Schmerztherapie. Ein mobiler anästhesiologischer Schmerzdienst steht den Patient:innen aller operativen Fachabteilungen unseres Hauses zur Verfügung. Unsere Abteilung steht auch bei schmerztherapeutischen Fragen allen Fachabteilungen zur Verfügung. 

Therapiekonzept

Therapiezielsetzung ist ein multimodales Therapiekonzept in einem interdisziplinären Team, in der ein individueller Behandlungsplan für Sie erarbeitet wird. Dieser kann bestehen aus:

  • Medikamentöse Therapie
  • Aktivierende Physiotherapie (Trainingstherapie)
  • Physikalische Therapie mit Wärme- und Kälteanwendungen
  • Patientenschulungen (Aufklärung der Patient:innen bezüglich der Bedeutung psycho-sozialer Einflussfaktoren)
  • Entspannungsverfahren
  • Schmerzbewältigungsstrategien
  • Schmerzpsychotherapie (z.B. schmerzdistanzierende Verhaltenstherapie)
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und Akupunktur

Was ist Schmerz?

Gemäß der internationalen Definition sind Schmerzen ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Als schützendes und lebenserhaltendes Signal warnt der Schmerz unseren Körper vor Verletzungen und gesundheitlichen Gefährdungen und ist somit überlebenswichtig.

Wie entsteht Schmerz?

Bei Gewebsschädigung, z.B. durch Verletzung, Entzündung, Druck, Hitze- und Kälteeinwirkung können Schmerzrezeptoren, die in nahezu allen Körperregionen (Haut, den Organen, Bändern und Muskeln) als verzweigtes Netz von sensiblen Nervenendigungen vorliegen, durch Ausschüttung von Botenstoffen aktiviert werden. Der Schmerzreiz wird als elektrisches Signal über die Nervenfasern an das Rückenmark geleitet. Über das Rückenmark kann in Bruchteil von Sekunden ein Abwehrreflex (z.B. Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatte) ausgelöst werden. Die Schmerzsignale werden hier wieder in Botenstoffe umgewandelt und über die Leitungsbahn des Zentralen Nervensystems an das Gehirn weitergeleitet. Im Thalamus (Mittelhirn) erfolgt ein weiteres Mal eine Schaltung auf Nervenbahnen. Erst dadurch wird ein bewusstes Schmerzempfinden ausgelöst.

Schmerztherapie im Klinikum Siegen

Der Akutschmerz ist meist auf den erkrankten oder verletzten Körperteil beschränkt. Die Schmerzintensität wird durch die Lokalisation und Ausmaß der Gewebsschädigung beeinflusst. Wird die Ursache beseitigt, so verschwindet auch der akute Schmerz. Wichtig ist aber auch, dass der Schmerz durch unser Denken, Fühlen, Stressverarbeitung, Schlafmangel, unseren sozialen Umfeld und durch unseren Lebensstil beeinflusst wird.

Die Einstufung der Schmerzintensität erfolgt durch Selbsteinschätzung anhand einer zehnstufigen numerischen Skala (num. Rating-Skala, NRS) von 0-10, NRS 0 entspricht kein Schmerz, NRS 10 entspricht maximal vorstellbarer Schmerz. Die Schmerzintensität kann aber auch als Ausdruck beschrieben werden (kein-,  mäßig, – mittelstark-, stark, -unerträglich). Für kognitiv eingeschränkte Patienten stehen zur Fremdeinschätzung des Schmerzes, z.B. die BESD-Skala als Instrument zur Verfügung. Hier erfolgt die Einstufung über die Beobachtungskriterien Atmung, negative Lautäußerungen, Gesichtsausdruck, Körpersprache und Reaktion auf Tröstung.  

Die medikamentöse Schmerzbehandlung ist eine tragende Säule in der Schmerztherapie. Der Stufenplan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bildet hierfür die Grundlage.

Schmerzmittel der 1. Stufe (sogenannte Nicht-Opioide) sind schwach bis mittelstark wirksame Medikamente, die hauptsächlich die Produktion verschiedener Entzündungs-oder Überträgerstoffe hemmen und somit am Ort der Schmerzentstehung wirken. Die Hauptgruppe bilden die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), die schmerz- und entzündungshemmend sind, z.B. Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen oder die sogenannten Coxibe (COX-2-Hemmer). Paracetamol und Metamizol (Novaminsulfon) wirken nicht gegen den Entzündungsschmerz, sie sind aber fiebersenkend und wirken auf alle Schmerzformen. Metamizol hat eine krampflösende Wirkung auf die Muskulatur des Magen-Darm-Traktes und wird daher auch bei krampfartigen Bauchschmerzen eingesetzt. Ein unkritischer Gebrauch dieser Medikamente kann zur ernsthaften Nebenwirkungen führen und Körperorgane dauerhaft schädigen. Daher sollte eine längere Einnahme immer nach Rücksprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt erfolgen. 

Opioide stammen von der Grundsubstanz Morphin ab. Die schwachen Opioidanalgetika bilden die 2. Stufe und wirken gegen mittelstarke Schmerzen (z.B. Tramal/Tilidin). Bei der Behandlung starker bis stärkster Schmerzzustände werden die Stufe 3 Opioide  eingesetzt. Sie hemmen zentral im Rückenmark und Gehirn die Schmerzweiterleitung und -verarbeitung. Bei regelmäßiger Einnahme nach Anweisung Ihrer Ärztin/Ihres Arztes sind diese Medikamente im Allgemeinen gut verträglich. Viele Nebenwirkungen zu Beginn einer Therapie (z.B. Übelkeit, Müdigkeit, etc.) klingen nach wenigen Tagen ab. Als dauerhafte Nebenwirkung kann eine Verstopfung auftreten, sodass Abführmittel vorbeugend für die Dauer der Opioidbehandlung empfohlen wird.

Zu beachten ist, dass Dosiseinstellung, Dosiserhöhung, Präparatewechsel sowie Kombinationen mit anderen Medikamenten, die dämpfend auf das Zentrale Nervensystem wirken, die Fahrtauglichkeit im Straßenverkehr und das Bedienen von Maschinen beeinflussen können. Bei Nervenschmerzen werden zudem auch Medikamente (sogenannte Koanalgetika) gezielt zur Schmerzlinderung eingesetzt, die bspw. zur Therapie gegen Epilepsie oder zur Behandlung von Depressionen entwickelt wurden.

Eine zeitgemäße Therapie sollte daher also eine Kombination aus medikamentöser und nicht-medikamentösr  Verfahren sein. 

Nach den IASB-Kriterien (International Association for the Study of Pain) liegen chron. Schmerzen vor, wenn sie länger als drei Monate anhalten oder der Schmerz über die erwartete Heilungszeit einer Verletzung oder Erkrankung hinaus anhält. Am häufigsten handelt es sich dabei um Rücken-, Kopf- und Weichteilschmerzen. Der Schmerz erfüllt nicht mehr die eigentliche Warnfunktion, sondern wird selbst zu einer Krankheit und vielfach ist die Ursache nicht mehr feststellbar. Auch postoperative oder posttraumatische Schmerzen können bei ungünstigem Verlauf in chronische Schmerzen übergehen, denn ein andauernder Reiz führt zu einer Intensivierung der Erregbarkeit, sodass durch Anpassungsvorgänge der Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem ein Schmerzgedächtnis sich ausbildet. 

Der chronische Schmerz ist immer eine psychische Belastung, sie wird zum Lebensinhalt und ist lebensbestimmend. Chronisch Schmerzkranke werden in ihrer Schmerzwahrnehmung durch Lebensereignisse, ihr berufliches Umfeld und durch ihre Familien in ihrer Schmerzwahrnehmung beeinflusst. Daher ist eine Behandlung nach den Prinzipien der Akutschmerztherapie in der Regel nicht erfolgreich. Hier können psychosoziale Interventionen wie kognitive Verhaltenstherapie, aufmerksamkeitslenkende Strategien, körperliche und soziale Aktivität die Schmerzwahrnehmung beeinflussen und eine Therapieoption darstellen. Hier gilt es schmerzunterhaltende Faktoren zu identifizieren und mögliche Vermeidungsstrategien zu entwickeln.

Wenn das Denken, Fühlen und Verhalten sich verändert, verändert sich auch der Schmerz. Daher ist es wichtig, dass ursächlich behebbare Faktoren festgestellt und behoben werden, wie bspw. korrigierende chirurgische Eingriffe. Abwendbare gefährliche Verläufe (z.B. Infektion, akute Schmerzzustände bei chronischem Schmerzsyndrom, Medikamentenübergebrauch, etc.) Depression, Angsterkrankungen und Schlafstörungen sollten erkannt und therapiert werden. Soziale Aktivitäten zur Stärkung des Beziehungsgefüges gilt es zu unterstützen.

Bei der Behandlung von chronischen Schmerzen ist eine Schmerzlinderung um 30-50% ein realistisches Ziel. Wichtiges Behandlungsziel ist zudem eine Verbesserung der Lebens- und Schlafqualität.